Frankfurter Rundschau, 21.2.2006 - FeuilletonLehrmeister mit Pompon Superamas laden ins "Casino" VON SYLVIA STAUDE
Das französisch-österreichische Kollektiv Superamas - dessen Mitglieder ihre Namen nicht verraten - widmet sich dem Erjagen, Sammeln und Sortieren zeitgenössischer Medien-, Kunst- und Realitäts-Schnipsel: Filmausschnitte und -dialoge, Hitparaden-Musik, verträumtes Gitarrengeklimper, das komische Potenzial von Kartoffelchips und, diesmal im Mittelpunkt, die Tanzkünste von Cheerleadern. Casino heißt das aus Fundstücken gebaute, etwa einstündige Stück, mit dem die Superamas jetzt im Frankfurter Mousonturm zu Gast waren. Das Publikum darf, wenn es will, mitten auf der Spielfläche Platz nehmen, wo es immer wieder von vier eifrig Pompons schwingenden und die Beine schmeißenden jungen Frauen umkreist wird, die ihm ekstatisch kreischend "Fun!" wünschen, unter anderem. Mit allen Mitteln und mit Raffinesse denkt dieses Künstlerkollektiv über Oberflächen nach - und unterläuft sie. Löst die Dinge aus ihrem alten Zusammenhang, stellt sie in einen neuen, macht sie dadurch frisch(er). Manchmal verschiebt sich die Perspektive auf das Vertraute in diesen Puzzles nur ganz leicht, manchmal erheblich. Gefühlstriefende Filmdialoge zum Beispiel werden von den Superamas so nachgespielt, dass sie jede Unschuld verlieren, Rockstar-Posen als Klischee kenntlich gemacht, Cheerleader vorgeführt als Projektionsfläche sexueller Fantasien - ohne Verbissenheit. Seht her, sagt dieses Theaterkollektiv, das haben wir gefunden in der modernen Welt, auf solche Inszenierungen fallen wir alle mehr oder weniger oft rein, ist ja nicht weiter schlimm. Aber, hey, ein bisschen Spaß wird man mit diesem Spiel-Material wohl haben dürfen. In diesem Casino also becircen vor allem vier enthusiastische Frauen; aber dass das Herstellen einer perfekten Oberfläche eine ganz schöne Arbeit ist, das wird spätestens klar, wenn eine von ihnen mit vor Anstrengung zitternden Beinen ganz dicht vor der eigenen Zuschauer-Nase steht. Doch nonchalant gruppieren sich diese unverdrossenen Cheerleader in ihren Miniröckchen auf einem und um ein Sofa, in Pin-up-Posen, nonchalant erstarren sie schließlich (unterstützt von den Herren des Ensembles) in sexuell eindeutigen Haltungen. Und tun - nichts. Für Bewegung in diesen lebenden Bildern sorgt dann ein anderer Akteur: rasend schnell flackerndes Licht. Alles Inszenierung, alles Theater, sagen da die Superamas noch einmal. Man kann als Theaterpublikum weit dümmere Lehrmeister haben.
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