Kultur - Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.02.2006, Nr. 42, S. 64

 

In der Endlosschleife

Superamas im Mousonturm

  

 Am Ende geht es einfach immer weiter, treten die Performer auf die Bühne, finden eine Pose oder, für einen winzigen Moment, zu zweit, zu dritt zu einem stillen Bild. Und während man noch glaubt, hier eine Pietà, dort eine Kreuzabnahme, eine Skulptur von Bernini vielleicht zu sehen, beginnen schon die Scheinwerfer zu tanzen, werfen ihr zuckendes Licht auf die unbewegten Figuren, und nichts bleibt von den ergreifend schönen Bildern als kopulierende Körper. Eine pornographische Endlosschleife, aus der es kein Entkommen gibt. Nicht für die Zuschauer, nicht für die Schauspieler, für das Theater und die Kunst. Das ist das Prinzip von "Casino" des französisch-österreichischen Performance-Kollektivs Superamas.

 

 Eine unterhaltsame, ernüchternde und hochkomische Stunde lang stellen die Performer nichts als Bilder in den Raum. Projizieren eigene Videos auf die Leinwand, stellen Filmszenen mit eingespielten Dialogen nach, treten mal als Playbackmusiker, dann wieder live mit der Gitarre auf. Und während sich die Zuschauer im Frankfurter Mousonturm inmitten des Geschehens noch nach der Herkunft all der Bilder, Szenen, Popsongs fragen mögen, die man doch alle - weiß der Himmel oder auch das Fernsehen nur, woher - zu kennen glaubt, bricht das Spektakel los, tanzen und springen drei Cheerleader in kurzen Röckchen und Pompons im Kreis herum und posieren und feuern ihr Publikum an: "Go, go! Fun, fun! Win, win!"

 

 Bis eine von ihnen plötzlich innehält und nun die Donna Anna aus Mozarts "Don Giovanni" gibt, traurig, verzweifelt, mit reichlich ausgestelltem Pathos und mit Vollplayback. Doch im Grunde spielt es überhaupt keine Rolle, ob Superamas gleichsam vorgefundene Fragmente aus Kunst und Musik und Theater oder selbstentworfene Szenen aneinanderreihen; ob sie große Oper oder Pop, Bilder aus Pornomagazinen, Primaballerinen oder Cheerleader in die Manege stellen, als die die Bühne hier erscheinen muß. Ohnehin ist im "Casino" alles gleich und einerlei. Und noch die wahrhaft zärtlichen, berührenden, zunächst authentisch wahrgenommenen Momente - ein Kuß, ein Song, ein hingehauchtes "Thank you" am Ende einer Popballade - erscheinen bald als beliebige, wenn auch reichlich vage nur erinnerte Zitate aus irgendeinem Film.

 

 Und so erfährt das Publikum am eigenen Leibe, worum sich bei Superamas am Ende alles dreht. Denn "Casino", das ist der Triumph der Bilder über die Welt, des Zitats über die Authentizität, kurz: der Ausverkauf der Kultur an die Kulturindustrie, für die Mozart und U2 nicht mehr als zwei verschiedene Labels im grenzenlosen Universum der bunten Unterhaltung sind. High und low, gleichviel: Die Bank gewinnt immer. Das mag als Erkenntnis selbst banal erscheinen, doch wie Superamas den in der Tat obszön zu nennenden Charakter dieser fortschreitenden Trivialisierung ins Zentrum der Performance rücken, schlicht, indem sie ihn ausstellen und geradezu genüßlich vorführen, das ist in der Tat schon ziemlich große Klasse.

CHRISTOPH SCHÜTTE

Weitere Vorstellungen heute und morgen, jeweils um 20 Uhr.

  

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