Was du siehst, ist nicht, was du siehstDas Performancekollektiv Superamas über BIG 2nd episode (show/business)De Morgen, 23.06.2004 Von Jeroen Peeters. Deutsch von Martin Nachbar
Diese Woche bringt das französisch-österreichische Performancekollektiv Superamas BIG 2nd episode (show/business) zur Premiere. Ein Nachfolgestück, in dem sie Originalität auf den Arm nehmen und Wiederholung als Strategie einsetzen, der Populärkultur zu Leibe zu rücken. Jedem Moralisieren fern legen sie die Widersprüche darin frei, sezieren aber auch mit Humor die Begehrensökonomie im Theater. Ziemlich gestörte Pop-Art, die der Komplexität des Oberflächlichen nachspürt. Für das Interview ordnet das fünfköpfige Kollektiv zwei Sprecher ab. Obwohl sie mitunter heftig mit einander zu diskutieren beginnen, wollen sie ausschließlich unter der Flagge von Superamas operieren. Ihre Namen tun nichts zur Sache: „Wir wollen uns vom inspirierten oder gar genialen Künstler distanzieren und suchen darum andere Formen, künstlerische Recherche zu verfolgen. Das Arbeiten im Kollektiv macht einen großen Teil davon aus, mit fünf Menschen tritt man in einen interessanteren Dialog, man fordert sich gegenseitig andauernd heraus. Darüber hinaus nehmen auch unsere Produzenten kreativ am Arbeitsprozess teil und werden nicht nur als Sponsoren einbezogen. Daneben interessieren wir uns für verschiedene Domänen: Performance, Tanz, Kino, bildende Kunst. Eklektizismus ist entscheidend für unsere Arbeit, nicht um Genres zu vermischen, sondern eher als eine Form der kritischen Auseinandersetzung, was wir mit Filmkritiker Serge Daney gerne ‚art impur’ nennen.“ (...) Wie seht ihr generell das Verhältnis zwischen Kunst und Kultur? Superamas: „Kultur ist das, was wir allgemein verstehen, wozu wir uns keine Fragen mehr stellen, wo es gut geht. Ein künstlerischer Kontext lässt es zu, Selbstverständlichkeiten aus der Kultur unter die Lupe zu nehmen und zu befragen. Jenseits dessen, was wir begreifen, auf der Suche nach der Komplexität von Beziehungen, auch nach dem Unbekannten. Was man sieht, ist nicht, was man sieht. Warum ist etwas auf eine bestimmte Art gemacht? Was sind die Möglichkeitsbedingungen, Codes und Parameter davon? Wie bestimmen sie unsere Lesarten und möglichkeiten?“ „Als ich nach Kortrijk kam, sah ich aus dem Zug heraus eine Kuh über die Weide laufen, echt so ein positives Bild. Aber stimmt das eigentlich, dass diese Kuh da glücklich über die Weide läuft? Projeziere ich das nicht? Und ist sie vielleicht nicht überfüttert, um mehr Fleisch zu bringen, oder wer weiß, sogar genetisch manipuliert? Das glücklich Alltagsbild verbirgt also andere Dinge. Unsere Frage ist, wie wir die Lektüre dieses Bildes beeinflussen können, um das Dahinterliegende zu entblößen.“ Laut Untertitel zielen die Pfeile diesmal auf „Show/Business“? „(...) Wenn man heute Theater macht, kann das natürlich nicht mehr passieren, ohne die Frage nach der ganzen Showindustrie drum herum zu stellen. Was bedeutet es, etwas vorzustellen bzw. aufzuführen? Warum brauchen wir das? Wir machen keinen philosophischen Essay darüber, aber schon einen fühlbaren, sinnlichen Parcours. BIG ist eine Komödie, Lust und Begehren machen einen grundlegenden Anteil in der Show aus wie auch in unserer Arbeit.“ Lust und Begehren sind heute auch Teil des Marktes. Wo seht ihr da noch Alternativen? „Die Frage nach Verlangen und Kommerz zu stellen, ist ein Pleonasmus. Wenn man das Verhältnis zwischen einem Bild und dessen Vermarktung untersucht, dann sitzt da immer auch ein emotionales Moment drin. Ein Austausch von Blicken zum Beispiel, ein Augenblick von Anziehung oder Abstoßung. Auf diesem Mechanismus treiben sowohl Verlangen, als auch seine Industrie. Unsere Frage ist, wie man in einem künstlerischen Kontext mit Leichtigkeit umgeht. Wir glauben nicht, dass Leichtigkeit per se oberflächlich oder idiotisch ist, und falls doch wollen wir wenigstens wissen warum. (...) Über Bilder gesprochen: die sind zunächst einmal oberflächlich, deshalb ziehen sie uns an. Darüber hinaus kann man nicht darunter oder dahinter schauen, da es die Oberfläche gar nicht gibt.“ Was ist mit dem Blick und den Erwartungen des Zuschauers? „(...) Das Netzwerk der Beziehungen, entlang derer sich Begehren transportiert, ist unser Arbeitsmaterial. Genau in der Erwartung und in der Entzauberung können Widersprüche deutlich werden. Um das ohne viel Vorurteile zu erreichen, braucht man eine entwickelte Sprache, die es zulässt, das Funktionieren des Blicks und seine Fundamente zu erhellen. Deshalb ist auch unsere Arbeitsweise ständig sichtbar und einfach zu verfolgen. Die größten Fragen tauchen auf, wenn wir nach der Zergliederung alle Elemente wieder zusammen führen.“ „(...) Auch in einem künstlerischen Kontext sind Teile des Lebens widerspenstig, aber vielleicht ist es möglich, ein bisschen Abstand zu nehmen und sich alle Widerspräche anzusehen, ohne direkt darüber zu urteilen. Um festgefahrene Denkweisen zu überwinden, muss man zu bestimmten Momenten sehr wohl politisch inkorrekt sein.“
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